Roe Rainrunner

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34 | Das Tor zur Hölle

37 Kommentare

„Woah, echt jetzt?
Ich hab gehört, mit Gasherd soll man suuupa kochen können!“
Ich hasse Freunde. Freunde sind Menschen, die man ja eigentlich nicht hassen darf, weil sie einen liebhaben und es nur gut mit einem meinen. Die Menschen meines Freundeskreises aber haben von Gasherden definitiv keine Ahnung.

Ich bin nämlich stolzer Besitzer eines Gasherdes. Allerdings nur erzwungenermaßen: Der Gasherd stand bei meinem Einzug bereits in der Küche und nachdem mir der Gas-Anbieter mitgeteilt hatte, dass ich pro Monat nur schlappe 15 EUR Grundgebühr bei 3 EUR Verbrauch berappen sollte, wollte ich dieses Wunderwerk der Technik natürlich unbedingt verwenden…

Ein Wunder war allerdings eher, dass das Teil überhaupt noch funktionierte. Ich hatte nämlich mal nach dem Herstellernamen gegoogelt und alles, was ich zu meinem Gasherd-Modell finden konnte, war eine Verkaufsanzeige mit dem Titel: „Historischer DDR-Herd zu verschenken“. Sowas macht Mut!

Die Nutzung des Gasherdes gestaltete sich als äußerst schwierig: Ich stand mit einem bunten Feuerzeug bewaffnet vor dem Gasofen, öffnete das quietschende Verließ, äh, die Ofentür und sah… erstmal gar nichts. So ein uralter Gasherd ist nunmal kein moderner E-Herd, wo es überall leuchtet und blinkt und einem ein Lichtlein aufzeigt, was sich im Inneren des Ofens so zusammenbraut.
Statt sehen zu können, roch ich dafür etwas. In dem verdammten Ofen musste in den frühen 70ern wohl mal was gestorben sein. Anders war dieser Geruch wirklich nicht zu erklären.
Ich hielt mir also die Nase zu und das Feuerzeug hinein. Ja… und jetzt? Wie ging es weiter? Hallooo, hört mich wer? Hunger!

Ein freundlicher Nachbar erklärte mir dann nuschelnd, dass sich irgendwo in der Tiefe der stinkenden und mit Metall ausgekleideten Folterkammer eine Klappe befände. Diese müsste ich öffnen und das Feuerzeug hineinhalten. Feuerzeug vorher anschalten natürlich.
Dieser und andere Kommentare während seiner Ausführung ließen darauf schließen, dass er mir eigentlich gar nichts erklären wollte, sondern mich viel lieber als „Ceranfeld-Balg“ oder „Induktionsherd-Schlampe“ beschimpft hätte.

Nach Beenden des motivierenden Vortrags trabte ich zurück in die Wohnung und begann, im Inneren des Ofens nach Klappen, Falltüren und ähnlichen Abgründen zu suchen.
Ich wurde in der Tat fündig. Allerdings sollte man die beschriebene Klappe ohne Abwasser-Schutzhandschuhe und Feuerwehr-Ausrüstung besser nicht anfassen.
Aber der Nachbar hatte recht: Unter der Klappe befand sich etwas, aus dem leises Zischen drang, wenn man den Herd anschaltete.

Ja, das Anschalten… Wie ich feststellte, hakt der Drehknopf und man muss ihn gut 30 Sekunden gedrückt halten, damit das Gas auch wirklich konstant herauskommt und die Flamme anbleibt. Hält man den Knopf nur 29 Sekunden gedrückt, geht die Flamme sofort aus. Drückt man dann aber nochmals den Knopf, strömt sofort Gas aus. Ohne Flamme, dafür aber mit Gefahr für Leib und Seele!
Vielleicht war die Sache mit den 30 Sekunden aber auch als Feature gedacht. Damals, im Zeitalter des Paläozoikums, als dieses Gasherd-Modell gerade frisch erfunden worden war…

Da es sich um meine erste Gasherd-Erfahrung handelte, hatte ich mir damals auch direkt eine Hausratsversicherung zugelegt, die sowohl Brand- als auch Explosionsschäden abdeckt.
Ich bin ja generell weniger der Freund von Versicherungen. Da zahlt man nur ein und es passiert sowieso nie was. Bei der Hausratsversicherung ist das anders. Da bin ich mir spätestens seit Begutachtung der wackeligen Drehknäufe sicher…

Irgendwann lag dann tatsächlich das als nächste Mahlzeit auserkorene Essen auf dem Backpapier.
Die Sache mit dem Backpapier stellte sich jedoch keine viertel Stunde später als großer Fehler heraus.
Hat schonmal jemand von euch in einem Krematorium gearbeitet? Ich nicht, aber spätestens seit der Verwendung des Backpapiers im Gasofen kann ich mir die Arbeit dort besser vorstellen. Das Backpapier war nämlich nicht mehr da. Dafür weiß ich jetzt aber, wieso es „Asche zu Asche und Staub zu Staub“ heißt.
Nachdem ich mein Essen aus dem Staubhaufen gewühlt hatte, schmeckte es aber dennoch halbwegs ertragbar.

Tiefkühlware in Karton-Verpackung verhält sich übrigens ähnlich: Das Essen bleibt innen gefroren, ist außen komplett verbrannt und als Höhepunkt mit einer feinen Staubschicht des ehemals „feuerfesten“ Kartons garniert.
Willkommen am Tor zur Hölle… welches sich genau in meiner Küche befindet!

Solltet ihr also je von mir zum Essen eingeladen werden, Staubwedel nicht vergessen!

Autor: roerainrunner

https://roerainrunner.wordpress.com

37 Kommentare zu “34 | Das Tor zur Hölle

  1. Wieder so eine deiner Lach- und Sachgeschichten…… 🙂

    Ich wuchs auf mit Gasherd – das fand ich toll.
    Dein „hakender Knopf“ war früher als Sicherheits-Feature gedacht, da das Gas nur weiter fließen sollte, wenn durch die Feuerhitze ein Bimetall die richtige Hitze hat (also nach 30sec.). Ohne Feuer kein Gas – so zumindest die Idee.

    Es war grauenhaft für mich, nur noch Mietwohnungen zu finden, ohne Gas.
    Selbst heute noch, nach gut 25 Jahren E-Herd, hab ich es noch immer nicht wirklich raus, energiesparend mit dem Biest zu kochen.
    Gasherde wären mir auch heute noch lieber.
    Wobei….. – soooo alt wie dein Schätzchen müßte er nun wirklich nicht sein.

    Ich hatte übrigens als Teenie nur ein einziges Mal versucht, mir „ganz cool“ am Gasherd eine Zigarette anzuzünden.
    Aber so ohne Pony hatte mir meine Frisur danach nicht mehr gefallen und der Herd schied als Feuerzeug für all die folgenden Jahre definitiv aus.
    Liebe Grüße, Floh

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    • Das mit dem Sicherheitsfeature verstehe ich. Aber wenn man loslässt, ist das Bimetall leider immer noch warm und dann strömt eben Gas ohne Flamme aus – was das Sicherheitsfeature leicht unsicher macht XD

      Mir fehlt der gute alte E-Herd, der „nachwärmt“. Da konnte man Milch warmhalten oder im Winter Kinderpunsch. Bei Gasherden (zumindest meinem) gibt’s nur die beiden Temperaturstufen „eiskalt“ und „Höllenglut“…

      Waren denn die Augenbrauen noch dran? 😀

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      • Lach – nein, die auf der einen Seite war auch weg 😉

        Hm…. mal drüber nachgedacht, einfach einen moderneren Herd zu kaufen? Kannst ja bei Auszug das alte Ding wieder hinstellen?!

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        • Wäre schwierig. Ich habe keinen Keller, könnte den Herd also nirgends wirklich lagern.
          Es gibt hier keinen Starkstromanschluss und der ist meines Erachtens ein Muss. Natürlich könnte ich mir auch ein E-Herd-Platten-Modul für die Steckdose kaufen, aber da würde mir der Ofen zu sehr fehlen…

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  2. Ich war lange Zeit ein Fan von (funktionierenden) Gasherden.
    Aber seit ich „gezwungenermaßen (kein Gasanschluss)“ einen Ceranherd habe, bin ich davon absolut begeistert. Nicht zuletzt weil er sich viel einfacher reinigen lässt.
    Mein Gasherd war nämlich meistens ziemlich versifft, wie ich zu meiner Schande gestehen muss.

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  3. Ceranfeld-Balg und Induktionsherd-Schlampe – sehr schöne Wortschöpfungen. 😉 Ich bin zwar auch bekennendes Gasherd-Luder, aber so ein altes Schätzchen wie bei dir rumsteht ist schon nicht ganz ungefährlich. Da kann man schon den Spaß an der Sache verlieren. Vielleicht lieber doch kein Gas?!

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  4. na da hast du ja glück das du bei deinen fähigkeiten das teil nicht hast zum explodieren bringen 😀

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  5. Das hört sich nach einem neun Food-Trend an: z. B. Buffalo-Wings in Asche vom Backpapier mariniert, serviert am Staubwedel 😀
    Ansonsten hoffe ich, der Herd tut noch seine Dienste ohne gleich in die Luft zu fliegen. Aber Gasherde sind ja wieder im Kommen, nur weiß glaube ich keiner so recht warum.

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    • Genau. Wie war das mit „Alles über 170°C ist krebserregend“? *grusel*

      Genau, schwer im Kommen. Ich kann’s auch nicht nachvollziehen. Ja, es ist schön, wenn es direkt heiß wird, ohne dass man ewig warten muss. Aber es wird halt auch direkt wieder kalt. Gas ist für mich einfach bedeutend gefährlicher als Strom. Und reinigen lässt sich der Gitterkrams eben auch nicht.
      Könnt ich ihn tauschen, ich würd’s tun ^^

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  6. ich bin Induktionsherd-Schlampe……und hab mich gerade schlappgelacht……ich schaffe es aber auch, dort Dinge zu Asche zu verändern 😉

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  7. Ich gebe zu, ich beneidete dich bei den ersten Absätzen. Was das KOCHEN angeht, bin ich nämlich auch ein Fan von Gas. Das ist so archaisch, ich stelle mir immer vor, ich jage in der Kleintierabteilung des Baumarkts einen Hasen, ziehe ihm das Fell über die Ohren und grille ihn dann direkt über der Gasflamme.
    Ein Gasbackofen hingegen … Ich kann verstehen, warum du dich vorm Backen zierst. 😉

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  8. Meine Mutter war Köchin und ich bin quasi in der Küche mit Gasherden groß geworden, was mich Heute zu einem bekennenden Ceranfeld- Balg macht aber sollte jemals die Heizung in deiner Küche ausfallen einfach den Backofen anschmeissen und Tür aufmachen die Gasflamme solltest du allerdings im Blick behalten… 😉

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  9. Ich hatte in meiner ersten eigenen Wohnung auch einen Gasherd. Zum Kochen finde ich die Dinger tatsächlich toll, eben weil sie sofort aus sind. Zum Backen ein Graus. Irgendwann, wenn ich mal groß bin und Geld habe, will ich eine Kombi daraus haben. Die Problematik mit dem zu frühen Loslassen des Knopfes hatte ich auch, immer wieder. Ich glaub aber, das gab keine feste Zeit, sondern es ging einfach willkürlich aus.

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  10. …ich habe so ein museumsreifes Stück in französischer Ausführung bei mir stehen und kann Dir mein Mitgefühl aussprechen…meiner allerdings neigt schon zum Verfall und schaut einem glücklichen Austausch entgegen…

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  11. ..dann kann er Dich ja noch ein paar Jährchen erfreuen…und dann willst Du Dich gar nicht mehr von ihm trennen…

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  12. Ich hatte als Student auch einen Gasherd. Der konnte lecker Ravioli aus der Dose kochen. (Weitere Gerichte haben wir nie versucht. Warum ist mir bis heute schleierhaft.)
    Ich fand den Gasherd nie so bedrohlich, wie die Gefahr durch Leibhaftige. Mein Kommilitone hat zu Beginn der Semesterferien gerne seine Zuckerdose dergestalt in der Küche platziert, dass gegen Ende der Semesterferien eine Straße durch unsere Wohnung führte.
    Eine Ameisenstraße.
    Dann doch lieber das Risiko mit dem Gasherd, oder?

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  13. statt einem „like“ gibt’s von mir den smile-award:

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