Roe Rainrunner

Rainrunning at its finest

39 | PNS – Postnocturnes Syndrom

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In letzter Zeit bin ich ständig müde und werde einfach nicht wach.
Könnt ihr euch noch erinnern? „Nein, ich will nicht ins Bett! Ich bin noch gar nicht müde! (nachdrücklich aufstampf und Schnute zieh)“. Hach, mit fünf wusste man Schlaf noch gar nicht richtig zu schätzen.

Schlaf, der süße, erholsame Freund, der mit seinen dunklen Händen nach des Tages Ereignissen trachtet, in seinen Bann uns zieht und vergessen macht…

Ich werde von meinem lauterwerdenden Handy-Wecker hochgerissen und recke geschockt von dieser Attacke den Kopf mit verquollenen Augen unter der Decke hervor. Meine gesamte Körperhaltung strahlt aus: „Kein Interesse!“
Hatte ich das Handy nicht genau deswegen extra weit vom Bett abgelegt, damit ich erstmal aufstehen muss und die Bewegung mich wach macht? Als ich aber im Halbschlaf mit den Zehen am Bettvorleger hängenbleibe und der Länge nach auf die Fresse fliege, scheint mir das keine gute Idee mehr zu sein. Besonders, nachdem in mir der Gedanke aufkeimt: ‚Wenn ich eh wieder liege…‘ und mich in den Bettvorleger einrolle.

Beim zweiten Versuch, das Handy zu erreichen, laufe ich gegen die Ecke vom Bett.
Ich habe mich immer noch nicht an das neue (größere) Bett gewöhnt. Es steht ja auch erst seit vier Jahren dort…
So kommt es, dass ich mit schöner Regelmäßigkeit an der Massivholzkante hängenbleibe. Meine Schienbeine sehen heute wieder genauso aus wie damals, als ich acht Jahre alt war. Nur, dass in diesem Alter dem blauen Kuhflecken-Muster unterhaltsames Bäume-Klettern, Wiesen-Runterrennen und In-Büsche-springen vorausging. Heute ist es nur noch der armselige Versuch einer unscharf sehenden Frau, nicht in ihre Möbel zu stolpern und sich die Hüfte zu brechen.
Der einzige Vorteil bei der schmerzhaften Begegnung mit dem Bett ist, dass ich mich gleich wieder rückwärts auf selbiges fallenlassen kann. Leider wirft mich das im Aufsteh-Prozess nochmal an den Anfang zurück…

Irgendwann erreiche ich mein weiterhin schrill piepsendes Handy dann doch noch. Gemeinerweise handelt es sich hierbei um ein Nokia-Handy. Einfach auf den Boden schmeißen und drauftreten is also nich. Das gute Stück hat in den letzten elf Jahren unzählige Stürze und sogar ein Klospül-Attentat unbeschadet überlebt. So bleibt also nur, mich grummelnd und übermüdet im Handy in der Menüführung zu „Wecker aus“ zu klicken, was bedeutet, ich muss die Augen wenigstens einen kleinen Spalt öffnen und das Gehirn zumindest auf Notbetrieb umstellen. Um diese Zeit? Frechheit!
Alternativ bliebe natürlich, den Handy-Wecker solange klingeln zu lassen, bis die Nachbarn wegen Ruhestörung die Polizei rufen. Aber dann müsste ich die schier endlosen drei Meter den Flur entlang zur Wohnungstür robben…

Ich krabbele erstmal ins Bad. Wenigstens finde ich diesen Weg auch mit geschlossenen Augen.
Ab in die Dusche, vielleicht macht mich warmes Wasser wach.
Und bevor mir einer mit „Probier doch mal kaltes Wasser?“ kommt: Ich denke nicht daran, meinen Körper zu solch unchristlicher Zeit mit derart sadistischen Ritualen zu erschrecken!
Ich schamponiere mir die Haare und lasse das warme Wasser im „Regenschauer-Modus 4“ (Massage-Brauseköpfe sind was tolles…) über mein Gesicht laufen, öffne dabei verschlafen den Mund und…
Was passiert, wenn man versehentlich Schampoo für coloriertes Haar verschluckt?
Ich bin mir nicht sicher, ob dazu empirische Studien vorliegen, aber ich für meinen Teil kotzte spontan in die Dusche!

Leicht irritiert und etwas verstört verlasse ich die Wanne wieder. Wach bin ich trotz dieser unerwarteten Wendung meines morgendlichen Wasch-Rituals übrigens nicht geworden.

Ich benutze keinen Mascara mehr, seit ich festgestellt habe, dass ich zum Wimpern-tuschen acht Minuten benötige. Logische Schlussfolgerung: Tuschen bleibenlassen bringt acht Minuten mehr Schlaf!
Im halbkomatösen Zustand putze ich mir also nur die Zähne, sprühe mir danach Haarspray unter den Arm und Deo auf die Haare, krieche in meine Kleidung und verlasse die Wohnung.

An meinem Arbeitsplatz angekommen, ist mir warm. Schon interessant, wie sich das Wetter in nur einer Woche ändern kann.
Noch immer im Schnorchel-Modus öffne ich den Reißverschluss meines wärmenden Zipper-Hoodies, als…
„Boaaah!“ – „Krass, was geht mit ihr?“ – „Na, hier is was los!“
Irritiert setze ich die Augen auf Halbmast und schaue in die erstaunten Gesichter meiner Kollegen, welche wiederum mich anstarren. Genauer gesagt, meinen Oberkörper. Ich senke den Kopf und blicke entsetzt auf meinen schwarzen BH samt Inhalt, der sich gerade den Massen präsentiert. Hatte ich etwa im Halbschlaf vergessen, mir ein T-Shirt unter den Hoodie anzuziehen?!
Ein Adrenalinrausch überkommt mich und ich reiße mit Lichtgeschwindigkeit den Reißverschluss wieder hoch. Mit weit aufgerissenen Augen stehe ich im Raum und murmele: „Okay, JETZT bin ich definitiv wach!“

Autor: roerainrunner

https://roerainrunner.wordpress.com

72 Kommentare zu “39 | PNS – Postnocturnes Syndrom

  1. *schnief, schluck, schrei* Falls hier noch irgendwer geschlafen haben sollte … Damit ist jetzt vorbei. Ich habe sie wachgelacht.

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  2. Mein Sohn (seinerzeit noch Student) ist mal mit/in Schlafanzughose mit dem Zug nach Münster gefahren. Die Einsicht kam nach dem ‚Sich-Wundern‘, wie bequehm das doch war …

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  3. die halbe oben-ohne-aktion hätte ich gerne gesehen. ich lach mich weg 😀 😀 😀 😀

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  4. Soweit ich weiß, hat er das echt durchgezogen .. allerdings die Öffentlichkeit -nach Möglichkeit- gemieden. Nachdem er sagtre, dass das Nachahmer fand, haben wir uns gemeinsam den A…. abgelacht. You are not alone …

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  5. So eine Weckerattacke am Morgen ist schon echt fies.

    Wobei um 6 vom Wecker geweckt werden grad ein Traum ist, im Vergleich um halb 5 vom Baby geweckt werden XD

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  6. Nokia wegen Ruhestörung verklagen trotz der guten Handys wäre in Erwägung zu ziehen.

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  7. Hoodie? Find ich gut und ich wußte schon mit 3 den Schlaf nicht mehr zu schtzen. Zum Glück brauche ich nie viel Bettruhe, aber da ist jeder Mensch anders gepolt 😀

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  8. Kein T- Shirt anziehen = Zeitersparnis 25 Sekunden + ein Leben lang im Gedächtnis der Kollegen.
    Auf jeder zukünftigen Betriebsfeier heißt es dann irgendwann: „Weisst du noch als die Roe vergessen hat, was drunter anzuziehen?…“ (Neue Kollegen müssen diesbezüglich selbstverständlich auch eingeweiht werden, so eine Art Initationsritus ins Bueroleben. Dadurch halten sich solche Legenden über Jahrhunderte!)
    Sehr lustige Geschichte! 🙂

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  9. Danke für die Lacher 🙂
    Du machst dich damit absolut unersetzlich für mein Wohlbefinden.

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  10. Ich habe gerade Tränen gelacht. Ist doch herrlich, dass wir Macken haben! Die sind immer noch gut für einen Blog-Beitrag. Ich bin auch ein müder Mensch, aber seit ich nur noch 6 Stunden schlafe (statt 10!) weiß ich jetzt wenigstens warum 😉

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  11. In die Möbel stolpern… was habe ich gelacht! Jawoll, Möbel sind nur darauf aus, uns wehzutun! Mir springt die Küchentürzarge immer in die Seite, manchmal frag ich mich wirklich, in welchem Attentäter – Camp diese Zarge gebaut wurde. Oder so ähnlich… *wirr schaut*… Übrigens, Du bist nicht allein mit dem PNS. Postnocturnes Syndrom. Gemixt mit PMS kommt da RICHTIG Stimmung auf! 😉

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  12. ich habe mich sowas von schlappgelacht!!!

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  13. Hast du schonmal daran gedacht direkt unter der Dusche zu schlafen? Ich sehe da nur Vorteile. Du würdest dich nicht mehr am Bett stoßen und hättest natürlich eine absolute Zeitersparnis weil der Weg ins Bad wegfällt.

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  14. … warum gehst du nicht einfach gepflegt um 22.00 Uhr ins Bett mit guter einschläfernder Lektüre… da ist noch Leben in dir, ein Rest Leidenschaft für den nicht bist zur Bewusstlosigkeit ausgeschöpften Tag… das Eine führt zum Anderen… 😉

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  15. Kommt mir bekannt vor!! Für mich ist allerdings 5:30 Uhr schon zu früh… Das seit Jahren, an mindestens sechs Tagen der Woche… Unser Bett steht unter einer Schräge, in der befindet sich nun schon eine relativ große Beule…

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  16. Hahahaha . Danke für den Lacher ! L.g.Anja

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  17. Oh mein Gott… Wie geil! 😀

    Ich hatte auch schon ungewollte Lacher diesbezüglich…
    a) TShirt mit Aufdruck nicht nur verkehrt an, sondern auch auf links.
    b) die ganze Bahnfahrt eine Sonnenbrille getragen, mit nur einem Glas.

    Meine Entschuldigung ist allerdings, dass ich nicht ganz nüchtern war…

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  18. Oh je, so ein Schock am frühen Morgen. Ich kann es nicht so richtig nachvollziehen, denn ich schlafe super und demzufolge morgens munter und nicht müde. Damit hatte ich Zeit meines Lebens noch kein Problem. Auch wenn die Nächte teilweise sehr kurz waren als die Kinder noch klein waren, bin ich hellwach, wenn der Wecker klingelt, egal zu welcher Zeit.
    Deine „Geschichte“ hat mich aber sehr amüsiert. Pass auf dich auf. „Verschlafen“ ist es im Straßenverkehr besonders gefährlich!

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  19. Pingback: PNS – Postnocturnes Syndrom – Ich brauche wohl neue BHs | Wracktonnenlackiererei

  20. Danke für diesen wunderbaren Bericht, zu dem ich nur wenig beisteuern kann weil

    – ich seit Ende der Pubertät vollständig auf BHs verzichte,
    – mein Handy aktuell 7 verschiedene Alarme mit Nachweckfunktion habt, die sich durch ein leichtes Wischen postponieren lassen (die abzählbare Unendlichkeit lässt ihr Antlitz aufleuchten)
    – ich ebenfalls Bahnpendler war, dort aber nur in geringem Umfang Aufmerksamkeit und bewundernde Blicke für meine Windsor-Krawattenbindekurse bekommen habe. Mein Rekord liegt bei einer Bahnstation mit maximal 3 Minuten Fahrzeit. Saß gleich beim ersten Versuch. Manchmal aber auch nicht. Was dann das Interesse der Mitreisenden intensiv befördert hat. Das war in der (guten?) Vor-Youtube-Zeit, als Expertenwissen noch den wirklichen Könnern vorbehalten war und man an der vhs Geld mit Schlipsbindekursen machen konnte.

    Wann ist denn wieder endlich Freitag? (Was mich auf eine Idee bringt, die anderswo nachzulesen sein wird.)

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    • Vor der Pubertät hast du also BHs getragen? 😀
      Ja, diese modernen Smartphones können schon einiges mehr, als einen bloß zu wecken. Aktuell kostet mich mein Handy 30 EUR im Jahr (!) und für diesen Preis habe ich noch kein Smartphone gefunden. Und nur für einen Wecker…? Nee!
      Krawattenbinden kann ich in der Tat nicht. Obwohl uns die schnulzigen Hollywood-Filme ja lehren, dass Männer das alle gar nicht können und dann eine Frau mit tiefem Blick (und noch tieferem Dekolleté) mit helfender Hand – und zufälligen zusätzlichen Berührungen – bereitsteht.
      Den nächsten Freitag bitte nicht so schnell. Ich habe Urlaub und noch gaaanz viel zu erledigen :-/

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      • Zur ersten Frage: Da schlägt vermutlich eine frühpubertäre Amnesie zu, um diese Frage wahrheitsgemäß zu beantworten.

        Beim Krawattenbinden habe ich irgendwas falsch gemacht. Wie beim Schuheputzen. Habe es von gestern auf heute gekonnt. Und dann diese von Dir geschilderten Frauen… Kostenloses Kopfkino…

        Oops. Wir könnten den Urlaub teilen. Du 50%. Ich 50%. Dann wünsche ich den Freitag nur halb so schnell herbei… 😉

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  21. Hahaha 😀 Herrlich! Wenigstens kann man die Kotze gleich mit dem Duschwasser wegspülen 😀 😀

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  22. Toll ist auch, wenn man jeden verdammten Tag total früh wach ist, nur weil der Ehepartner so früh raus muss…

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