Roe Rainrunner

Rainrunning at its finest

53 | Wärmer wird’s nicht mehr

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Ich war im Urlaub.
Tatsächlich hatte ich sogar eine kleine Reise unternommen. Die meiste Zeit aber saß ich einfach nur im Schaukelstuhl und habe Kreuzworträtsel gelöst.
Okay, ich war dabei nackt, nippte an einem Glas Vodka und im Hintergrund liefen 120db Death Metal. Aber ich sage euch: Entspannung pur!

Wie nach jedem Urlaub, folgt auch nach diesem bald der schmerzhafte Aufprall auf dem Boden der Tatsachen: Ich muss wieder zur Arbeit. Alles in mir sträubt sich, innerlich halte ich mich an der Wohnungstür fest und rufe: „Neinneinnein!“ Aber es geht ja nicht anders. Irgendwer muss schließlich das Geld verdienen, mit dem ich mir meine Belgischen Meeresfrüchte finanziere.

Kaum in der Firma angekommen, werde ich von Kollegin Marianne begrüßt, die ihre Nase immer und überall drin hat. „Na, kommst du aus dem Urlaub? Du siehst ja so braun aus!“, wimperklimpert sie mir entgegen. „Dmnhgmnhbrm“ – „Wie bitte?“ – „DMNHGMNHBRM“ – „Was?“ – „Ich sagte: Das ist nur Bräunungscreme!“ – „Oh…“
Pfff, als ob ich es nötig hätte, mit so etwas wie künstlicher Urlaubsbräune anzugeben. Dafür bin ich gar nicht der Typ! Aber mein Urlaubsdomizil lag in der Nähe eines Flughafens und nachdem diverse Piloten vollkommen geblendet auf Kollisionskurs mit anderen Maschinen gegangen waren, hatte mir der Flughafen-Betreiber eine Kiste voll Bräunungscreme geschenkt, damit ich den Luftverkehr nicht weiter durch meine reflektierende Blässe gefährde…

Mein Chef Thomas betritt das Büro: „Wieder aus dem Urlaub zurück? Wie war’s denn?“ – „Richtig super, ich war…“ – „Jaja, wie auch immer. Vor zwei Wochen hat sich ein Kunde gemeldet und eine Frage gestellt, die aufgrund deiner Spezialisierung nur du beantworten kannst. Der braucht sofort Hilfe. Was sagst du dazu?“ – „Ich sage, dass ich dringend zum Oberboss laufen und mir eine Gehaltserhöhung holen sollte, wenn ich so unabkömmlich bin…“ – „Kümmere dich gefälligst um den Kunden!“ – „Jawohl, mein Meister!“ – „Höre ich da etwa Ironie!?“ – „Aber nein, mein Meister!“ ‚
Mit zusammengezogenen Augenbrauen rauscht Thomas wieder davon.

Völlig unbeeindruckt von dieser Unterbrechung breitet sich Marianne in meinem Hoheitsgebiet aus. Ich kann gerade noch so meine beiden geliebten Tassen mit den Aufschriften ‚Lächele, du kannst sie nicht alle töten‘ und ‚Ich bin nicht gestört, ich bin eine Limited Edition‘ retten, bevor sie mit ihrem ausladenden Hinterteil die Stabilität meines Schreibtisches testet. „Hast du schon das von Andreas gehört?“, flötet sie verschwörerisch.
Wie könnte ich, ich war wochenlang nicht da. Aber diese Frage war wohl eh nur rhetorisch. Wie das meiste, das Marianne sagt. Sie redet gern, aber kaum mit jemandem.
„Der wurde gefeuert!“ – „Ach was…“, antworte ich gelangweilt und schlürfe an einem Tee, während ich darauf warte, dass der Laptop sich endlich zwischen eigenem und externem Bildschirm entscheidet. Zur Sicherheit zeigt er erstmal gar nichts an. Nerv!
„Ja, du glaubst es nicht. Man sagt, er habe das Internet unerlaubt für Pornos verwendet!“ Ich unterbreche mein Einhämmern auf den Laptop für einen Augenblick und schaue sie irritiert an. Was hieß denn da „unerlaubt“? War das Betrachten von Pornos denn jemals erlaubt gewesen? Gab es da ein Ausnahme-Formular? Porno-Antrag 18A Unterstrich B als Entspannungsmaßnahme bei drohender Burnout-Gefahr?
„Ach?“, sage ich stattdessen laut. „Jaja!“ – „Als ob irgendjemand hier in dieser Umgebung geil werden könnte…“ Ich bohre mit meinem Zeigefinger den Laptop-Powerknopf durch den Schreibtisch. Mistkiste, so fängt der erste Tag ja gut an…
„Man erzählt sich, er soll eine ganz ausgefallene Vorliebe haben!“
Super, will ich am frühen Morgen wirklich wissen, dass ein mir unbekannter Kollege sich Pornos von schwarzen, schwulen Transsexuellen reinzieht? Oder was auch immer in dieser Firma als „ausgefallene Vorliebe“ gilt. Hier war ja schon ein Skandal ausgebrochen, nachdem mein Büro-Mitbewohner sich statt eines traditionellen Fikus ein paar ausgefallene Kakteen ins Büro gestellt hatte. Dabei hatte er sie sowieso nur erworben, um seinen Lieblings-Ausspruch „Verdammte Kacktusse“ zu rechtfertigen. Auch wenn Marianne nie versteht was, oder besser gesagt, wer damit gemeint ist. Sie korrigiert ihn stets pikiert: „Das heißt ‚Kakteen‘, merk dir das endlich!“

Kollege Herbert stößt mit hochrotem Kopf meine Bürotür auf. Ohne Begrüßung setzt er an: „Errr… letzte Woche… Errr… gab es in der… Errr…Software diesen… Errr… Fehler, der… Errr…“ Ich unterbreche ihn mit sarkastischem Unterton: „Ich befand mich letzte Woche im Urlaub und habe daher noch keine Informationen über die Milliarden neuer Fehler in unserer Software vorliegen.“ – „Aber Errr… dieser Fehler, der war in… Errr…“ – „Wie gesagt: Ich war nicht da. Frag doch mal Kollege Robert, der hatte Vertretung.“ Herbert bleibt stehen und fährt unbeirrt fort: „Aber da war… Errr… ein Fehler, in unserer Software,… Errr…“ Ich unterdrücke ein Seufzen: „Ja, Herbert. Da war ein Fehler. In unserer Software. So etwas gab’s ja noch nie! Was war es denn für ein Fehler?“ – „Errr… ich äh… Errr… Errr… frag nochmal nach.“ Wusch, weg ist er wieder.
Ich seufze und denke darüber nach, dass ich dringend eine dritte Tasse kaufen sollte, damit ich ohne „Ladehemmung“ (die Aufwärmzeit unseres Wasserkocher lässt zu wünschen übrig) noch größere Mengen nervenberuhigenden Kamillentee in mich hineinschütten kann…

Mein Laptop hat sich nach langer Meditationsphase nun freundlicherweise doch für’s Hochfahren entschieden.
Ich suche das offene Ticket und rufe den Kunden an, der schon vor zwei Wochen eine Anfrage gestellt hatte. Erwartungsgemäß begrüßt er mich mit: „WIESO HABEN SIE SICH NICHT SCHON FRÜHER GEMELDET!?!? ICH WARTE HIER SCHON SEIT MOOONATEN AUF IHREN RÜCKR…“
Ich lege den Hörer neben das Telefon. Mal sehen, was so an neuen E-Mails im Postkorb eingetrudelt ist. Die erste Kundenanfrage geht schnell. Nur eine Rückfrage zu einem Kapitel unserer Benutzeranleitung. Ja, dieser Kunde hat die Anleitung nicht nur gefunden, sondern auch gelesen. Leider, denn da in der Regel niemand hineinschaut, sind die Informationen nicht nur steinalt, sondern auch in einem unterirdischen Deutsch verfasst, das sonst nicht einmal Übersetzungsprogramme schaffen.
In der Ferne wahwaht das Telefon: „IHRE DRECKIGE SAU-FIRMA HAT DOCH…“ Ich prüfe weiter die Anfragen im Mailkorb. Ah, da bittet jemand um einen Download-Zugang. Ich klicke mich durch das Programm, lege das Kundenkonto an und erzeuge die automatische Zugangsdaten-Mail, die gar nicht so automatisch ist, wie unsere Kunden das vielleicht glauben. Ich lese das erzeugte Passwort: ‚Kloakengras3000‘. Jetzt wissen wir auch, wo die Flasche Captain Morgan aus der Küche abgeblieben ist: Unsere Admins müssen sie als Zündstoff für die Programmierung des Passwort-Generators verwendet haben…
Das Hintergrund-Blöken wird leiser. Ich halte gelangweilt den Hörer an mein Ohr und antworte professionell-freundlich wie ein Anrufbeantworter: „Das von Ihnen beschriebene Fehlerbild lässt sich korrigieren, wenn Sie hier drücken und dann dort das ausführen.“ – „Aha… Warum nicht gleich so?!“ Ja, hättest du nicht 20 Minuten rumgebrüllt, wäre das Telefonat bereits nach 30 Sekunden beendet gewesen.
Und sofort wird mir wieder augenrollend bewusst, was ich all die Wochen so gar nicht vermisst habe…

Draußen auf dem Flur ertönen plötzlich Worte aus einer anderen Welt.
Dazu muss man wissen, dass es die Tradition erfordert, dass die Supporter morgens als erste an die Schreibtische krabbeln, ihre ausgemergelten Körper zur Front schleifen und mal eben fix die Welt retten. Erst drei Stunden später trotten dann die Entwickler an den Kampfschauplatz, nur um sich darüber zu beschweren, dass sie mal wieder über die Leichen ihrer eigenen Leute steigen müssen…
Da es jetzt genau 11:00 Uhr war, konnte das nerdige Herden-Gemurmel also nur von den soeben erwachten Programmierern stammen, welche nun eintrafen. „Roe! Wieder aus dem Urlaub zurück! Hast du schon von dem neuen Fehler in unserer Software gehört? Da hat wohl wieder einer von uns gepennt, höhö…“ Oh ja, sehr lustig. Etwa so witzig wie eine Darmspiegelung am Tag der eigenen Hochzeit!
Wie man mir erklärt, ist der Software-Fehler aber gar nicht sooo dramatisch. Solange man nur eine bestimmte, zwingend erforderliche Funktion nicht verwendet. Oder unsere Software gar nicht erst installiert…

Also ehrlich, Leute. Ich brauche ganz dringend wieder Urlaub!

Autor: roerainrunner

https://roerainrunner.wordpress.com

43 Kommentare zu “53 | Wärmer wird’s nicht mehr

  1. 120db Death Metal……
    Gegenüber der Arbeitswelt klingt das wie eine Sinnesprothese aus liebevoll entgrenzten Welten.
    Dein Urlaub muss traumhaft gewesen sein…!

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  2. ja roe…. so ist das mit dem urlaub. endlich bist du wieder zurück. aber wie immer treffend beschrieben, deshalb mach einfach keinen 😀 welcome back… commander 😉

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  3. Der Nächste wird noch besser…
    Dafür sorgt die Kollegenschaft.
    Auf die Automatik kann mensch sich verlassen.

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  4. Nackt auf dem Schaukelstuhl Wodka trinken … Das klingt gut😊will ich auch

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  5. Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub. Mir ging es, besonders zu Supportzeiten, auch immer so. Da reichte schon das Durchziehen der Zugangskarte um ein „Ich bin reif für die Insel“-Gefühl hervor zu rufen.
    Btw. Ich hoffe, Du konntest Deinen Urlaub in vollen Zügen geniessen und schön, dass Du zurück bist.

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    • Wir haben keine Zugangskarten mehr, wir machen alles digital. Aber ja, das reicht 😀
      Danke 😉

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      • Fingerabdruckscanner 😉 ? Die machen grad im Winter viel Spaß 😀

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        • Nö, wir buchen unsere Zeit digital in eine Art bessere Exceltabelle 😀

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          • Damit kommt man aber nicht ins Büro XD Mehr wurde bei uns mit den Dingern nicht gemacht. Nur rein und raus. Arbeitszeit wurde separat erfasst. Wäre ja sonst zu einfach XD

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            • Achso! Dafür haben wir einen Transponder, den ich „die kleine schwarze Quetschbohne“ nenne.
              Um die Alarmanlage auszuschalten, muss man mit dem Ding eine Art Regentanz aufführen. Und wehe, du verärgerst die Götter (Sicherheitsmitarbeiter)…

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              • Ich hasse Transponder. Hatten wir bei nem anderen AG. Grausig, das mit dem Regentanz passt.
                Ihr habt Sicherheitsmitarbeiter, die darauf reagieren? Wow. Selten genug. Erinnere mich daran, dass ein ehm.Kollege mal Sorge hatte, dass der Alarmverfolger kommen muss, weil er dreimal den Zugangscode falsch eingegeben hat. Nur, da war Schichtwechsel beim Sicherheitsdienst. Da kommt keiner. Mein Mann und ich könnten Dir da gesammelt Stories erzählen…

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                • Bei uns wird der Sicherheitsdienst alarmiert, der wiederum ruft dann aber erstmal „verantwortliche Mitarbeiter“ an und die rufen in der Firma an und begrüßen dich mit den Worten „Na, wieder zu blöd, die Alarmanlage zu deaktivieren???“ Das geile ist, dass die „verantwortlichen Mitarbeiter“ alle Spätschicht haben. Bestenfalls ruft dich also die eh schon übelgelaunte Kollegin an, die grad mit ihren Lockenwicklern im Bettchen lag. Der brauchste dann die nächsten drei Wochen nicht mehr über den Weg zu laufen…

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                  • Das ist wie Systemadmins. Die kommen auch immer erst dann zur Arbeit, wenn der Rest schon mindestens 3 Stunden da ist.
                    Ja solche und ähnliche Vorgehensweisen kenne ich zu gut. Mein Mann ist nicht umsonst immer noch auf einer Odysee durch den Werkschutz. Auf das Niveau, um solche Prozesse zu verstehen, kommt er nicht runter. Ich auch nicht.

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  6. Supertoll geschrieben! Ich freue mich immer über Beiträge von dir. Du hast den 7. Sinn für Situationskomik und bringst den zu Papier – ähm – haust sie in die Tasten. Kompliment. Liebe Grüße, Sigrid

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  7. Herzlich Willkommen zurück! In der besch…, harten Realität 😉

    Ich hab das echt schon vermisst 😂

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  8. Was habe ich deine Stories verpasst…oder war es vielleicht das Gefuehl, das sich entwickelt, wenn ich so richtig breit grinsen muss😂😂😂so oder so bin ich froh, wieder was von dir zu lesen…..😄 Deine Kollegen sind ja wirklich …. aehm besonders😁😁😁

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  9. Schön dass du wieder da bist, hab‘ deine Stories schon richtig vermisst! 😊
    Und siehste – den Kollegen hast du auch gefehlt…! 😜

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  10. Ich sass jetzt grinsend lesend in meinem Wohnzimmer und hatte 2 Gedanken: 1. bin ich froh über das was ich gelernt habe.2. so einen Urlaub mach ich auch bald mal! Viele grüsse Kat.

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  11. Tolle Story, Humor nicht verlieren kann man nur sagen. Daily Soap im Büro. Warum braucht man da noch einen Fernseher. Ich kann es direkt vor mir sehen, besonders die Telefonie. Grins – Total doof, wenn es gleich nach dem Urlaub so anfängt.

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  12. Ab sofort heißt es also wieder „Überlebensmodus ON“ bei Dir 😉 bis zum nächsten Urlaub. Die Idee mit dem Nackicht-im-Urlaub ist wirklich überdenkenswert. Schließlich fällt dann keine Wäsche an, nur den Wodka würde ich gegen Rotwein und Schoki austauschen…bisschen Stil brauch ich 😂😉

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  13. Roe ist wieder da, gut erholt und fit. Weiter so!

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  14. Schön das Du endlich wieder da bist..
    schönes Wochenende
    LG Wortgestoeber

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  15. Offensichtlich hatte meine Lieblingsbelgischemeeresfrüchtevernichterin einen entspannten Urlaub und einen harmonischen Start in`s Berufsleben. Willkommen zurück !

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