Roe Rainrunner

Rainrunning at its finest

10 | Zwölf Schritte zum glücklichen Homo Modernus

11 Kommentare

Hallo, mein Name ist Roe und ich bin abhängig.
Wir alle sind es. Viele haben es lediglich noch nicht gemerkt.
Wir sind abhängig von Maschinen!
Solange alles funktioniert, spürt man es kaum. Aber wehe, wenn es nicht mehr funktioniert…

Ich hatte mir beim Einzug in diese Wohnung eine neue Waschmaschine gekauft. Die Waschmaschinen-Marke hieß tatsächlich „Whirlpool“ und ich gebe zu, der Gedanke an meine Slips, die entspannt am Rand eines Jacuzzis lehnen und sich gegenseitig noch einen Schluck Weichspüler in ihre Cocktail-Gläser füllen, hielt mich nicht vom Kauf dieser Marke ab.

Nach einigen Jahren gab die Waschmaschine bei jeder Umdrehung laut quietschende und knarzende Geräusche von sich. Aber immerhin drehte sie sich noch, was ich als gutes Zeichen wertete.
Einige Zeit später hörten die Geräusche dann wieder auf. Meine Theorie: Was auch immer die Geräusche verursacht hatte, war vermutlich einfach abgebrochen!
Wiederum später entwickelte sie ein neues Verhalten: Verstörende und ebenso bedeutungsschwangere Fehleranzeigen wie: „F16“. Gepaart mit bockig-trotzigem Verhalten beim Schleudergang (laut Benutzeranleitung hatte „F16“ übrigens nichts mit dem Schleudergang zu tun).

Ab hier zeigt sich auch schon das Suchtverhalten des modernen Menschen: Es gibt ein paar Geräte in meiner Wohnung, die sich temporär prima ersetzen lassen. Geht der Eierkocher kaputt, gart man die Eier im Wasserkocher oder der Kaffee-Karaffe. Ist der Herd kaputt, tut’s auch ein Campingkocher. Und statt das Essen im Kühlschrank aufzubewahren, geht bei entsprechender Jahreszeit auch eine Kiste auf dem Balkon mit installierter Vogelscheuche (Luftratten-Alarm!).
Aber ein Leben ohne Waschmaschine? Ich sah mich schon mitten im Hochsommer ein einziges T-Shirt solange tragen, bis mein Schweiß das Siebdruck-Emblem weggeätzt hätte.
Meine Verzweiflung war so groß, dass ich im Internet nach Waschsaloons suchte, auf deren Galerie-Fotos die Waschmaschinen nicht vor lauter Kalk standen und mit Waschmittelresten komplett versaut waren (die Suche blieb übrigens erfolglos).

Meine Vorfahren würden mich sicherlich auslachen. Hatten die doch noch Muskel-Partien an den Armen, deren einziger Zweck es war, Kleidungsstücke auf Steine zu schlagen. Aber die mussten zur zwischenmenschlichen Verständigung ja auch noch persönliche Treffen arrangieren…

Ich gebe offen zu, in der Relevanz der funktionierenden Wohnungsinstallationen rangiert bei mir die Waschmaschine direkt hinter dem (einzigen!) Klo.

Kurzum: Der Whirlpool musste dringend durch einen neuen Wasch-Zuber ersetzt werden!

Wenn es um den Neukauf von Elektro-Geräten geht, bin ich stets überrascht, dass die Firmen es immer wieder schaffen, komfortabel funktionierende Geräte durch zusätzliche Features zu verbessern. Im Falle von Waschmaschinen heißen die Zauberworte heute: „Mengenautomatik“, „Automatische Waschmitteldosierhilfe“, „Unwuchtkontrolle“ oder auch „Mehrfachwasserschutzsystem Plus“. Alles Fachbegriffe, die bei technikaffinen Leuten auditive Orgasmen erzeugen.

Hier ein Wort, dass auch mich zur Verzückung brachte: „Trommelinnenbeleuchtung“!
Kennt man ja eigentlich längst von Kühlschränken und Öfen. Solch moderner Firlefanz ist jedoch gänzlich an mir vorbeigegangen. Mein Kühlschrank hat kein Licht. Wofür auch? Der Kühlschrank heißt schließlich „Kühl“schrank und nicht „Glühbirnen-Abwärme-Schrank“.
Und mein Gas-Ofen existierte schon, als die Glühbirnen noch gar nicht erfunden waren. Entsprechend düster ist sein Inneres. Daher auch immer der verstörte Blick meiner Gäste, wenn ich mir die große Camping-Taschenlampe schnappe und beim Davontraben murmele: „Ich geh mal guggen, ob die Pizza schon fertig ist…“

Beleuchtung. Jetzt also auch in Waschmaschinen. Und bei mir im einzigen Großelektrogerät überhaupt!
Vielleicht ist das ja der Grund, wieso bei manchen Leuten immer einzelne Socken verschwinden? Die haben einfach keine Trommelinnenbeleuchtung, ist doch ganz klar!

Die neu bestellte Waschmaschine sollte also so ziemlich alles können.

Eigentlich wäre sie gar keine Waschmaschine mehr. Eher eine Art „Wasch-Butler“.
Aber ich denke, auch hier könnten die Firmen noch an der Weiterentwicklung tüfteln: Wenn ich abends auf dem Weg in die Dusche bin, müsste mich der kleine weiße Wasch-Würfel freundlich von der Seite ansprechen: „Herzallerliebste Frau Rainrunner. Würden Sie mir die Ehre erweisen, Ihre wunderschöne Unterwäsche, Konfektionsgröße 36 zu überreichen? … Ach was, Sie haben gar nicht Konfektionsgröße 36?? Als nächstes wollen Sie mir noch weismachen, Sie seien keine 19 mehr!“
Dann müsste ich nur noch aus dem Slip schlüpfen und sofort käme: „Oh, welche Freude. Ich werde sofort ganz ohne Wasser und Strom, dafür aber mit liebevollen Massage-Bewegungen Ihre Wäsche pflegen und säubern und einen Hauch Bergfrühling hinzufügen!“
Warten wir mal ein paar Jahre. Das kommt bestimmt alles noch…

Die neu bestellte Waschmaschine hatte nur ein Manko: Sie war erst drei Wochen später lieferbar.
Wenn mich bis dahin Menschen fragten, was ich am Wochenende geplant hatte, antwortete ich: „Wie immer… vor meiner alten Maschine liegen und betteln: ‚Komm schoooooooooooooon! Maaaaaaaach! Du bist doch erst sechs Jahre alt! Eine Waschladung noch! Komm schon, du wundervolles Stück… §$%§$%$§%… chinesischer Handwerkskunst! Nur eine einzige Waschladung! Nur eeeeeeeine! Wenigstens 30°C! Okay, einigen wir uns auf 20°C! Ach, was sag ich, nimm einfach Wasser! Wenn du artig bist, kriegst du auch einen Kalk-Stop-Tab!'“

In diesem Sinne: Fröhlichen Waschtag.

Autor: roerainrunner

https://roerainrunner.wordpress.com

11 Kommentare zu “10 | Zwölf Schritte zum glücklichen Homo Modernus

  1. jau das wäre ziemlich geil so ein waschmachine zu haben :D, vielleicht gibt sie auch irgendwann styling-tipps 😀 und auf die idee mit eiern im wasserkocher bin ich noch nicht gekommen. danke 🙂

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  2. Das ist der unterhaltsamste Bericht den ich je über eine defekte Waschmaschine lesen werden (vermutlich). Nach einem ähnlichen Erlebnis am Tag vor der sommerlichen Ferienreise hat meine Faru bei jeder Anschaffung eine Testzeitschrift zu Rate gezogen. So hielt die zweite Waschmaschine 18 Jahre ohne Murren 😉 Trommelinnenbeleuchtung finde ich übrigens total witzig und die verschwundenen Socken finde ich später immer in den anderen Kleidungsstücken wieder – dir einen prima Sonntag 🙂

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    • Testberichte und Bewertungen habe ich auch gewälzt. Für mich ein Fluch und Segen zugleich… Früher hat man Geräte einfach nach ihren Funktionen gekauft, heute liest man die Berichte und wird von jedem einzelnen negativen Bericht doch nur noch ein bisschen mehr verstört 😀

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  3. Wurde dein Flehen erhört, hat sie nochmal gewaschen? Und wie macht sich die „Neue“?

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  4. Also keine weggeätzten Siebdruck-Embleme 😉

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  5. Wie ist denn die Restfeuchtigkeit des neuen Zubers? Biete : 51%. Prahl!… Okay, bei Otto bestellt. Aber man hört wenigstens, wenn sie durch Badezimmer humpelt… beim Schleudern!

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    • Ich weiß es gar nicht mehr. Aber damals, als ich die Zuber-Eigenschaften studierte, ist mir aufgefallen, dass die Restfeuchte heute bei allen Maschinen gleich ist – oder habe ich das falsch im Kopf?

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  6. durchs Badezimmer! s hinterherwerf!

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