Roe Rainrunner

Rainrunning at its finest

112 | Kita-Volljährigkeit

12 Kommentare

Meine Adoptiv-Stief-Nichte Lexi erreicht bald ihre Kita-Volljährigkeit: Sie wird zwei!
Damit ist sie nun qualifiziert, von ihrer Tante Roe beaufsichtigt zu werden, ohne dass diese selbst beaufsichtigt werden muss.

Nach einem Tag voller kindlicher Abenteuer gebe ich mit dem Strahlen eines mitteldeutschen Vertriebsmitarbeiters das Honigblümchen an ihre Mutter zurück. Diese lässt kritisch ihren Blick über den selbstgezüchteten Spross wandern: „Und, wie war’s?“ – „Oooch…
Also zum Frühstück hatten wir Brotscheiben mit Frischkäse und Kresse. Trotz liebevoller Krusten-Deinstallation und mundgerecht-geschnittener Quadrate war mein Fensterbrett-Kressewald viel interessanter – da fehlt jetzt übrigens ein großes Stück mitsamt Samen und Zucht-Unterbau. Dafür hat sie mein Drachenei-Brot zur Hälfte verputzt und sich damit gleich eine Gesichtsmaske verpasst – naja, Avocado soll ja gut für die Haut sein; sie sieht auch gleich nur noch wie Anderthalb aus!
Des Weiteren hat sie voller Freude meine Teetasse vom Tresen gefegt. Wäre es möglich, dass sich dein Kind nicht als Mädchen oder Junge identifziert, sondern als Katze?!

Danach ging’s zum Spielplatz. Als verantwortungsbewusste Erwachsene hatte ich das Wetter gecheckt und einen hohen UV-Gehalt in der Luft ausgemacht. Daher hab ich einen alten Putzeimer mit Sunblocker gefüllt – zum Glück verwende ich wegen meiner Neurodermitis eh schon die parfümfreien, sensitiven Kinderprodukte – und Lexi einmal mit den Füßen voran da reingestippt. Dann umgedreht – die andere Seite war schwieriger, weil das Kind ja schon ordentlich glitschig war und mir ein paar mal – poit poit – weggeflutscht ist. Aber dann war sie gut eingestippt. Danach mit ein paar gezielten Handkantenschlägen die überschüssige Lotion abgeschlagen. Um größere Fehlfunktionen zu vermeiden, zur Feinjustierung mit dem Duschwand-Abzieher die Augenlöcher und Chiemen freigekratzt und anschließend wie befohlen das Hütchen aufgesetzt – dank der Sonnencreme klebte das perfekt auf dem Lockenkopf.

Auf dem Spielplatz taten sich gewisse Defizite hinsichtlich der Rutschen-Nutzung auf: Mein Hintern war einfach nicht mit der Breite der Alu-Schlange kompatibel, weswegen ich mich strategisch sinnvoll am Fuße derselben zum Abfangen eventueller kindlicher Geschosse aufgestellt habe. Aufgrund der immer noch hohen Creme-Flutschrate ist sie mir die ersten Male fies ausgekommen – poit poit. Mit der Zeit wurde sie jedoch im Dreck vor der Rutsche ausreichend gut paniert, dass ich etwa ab dem fünften Mal ausreichend Grip fand.

Zum Mittagessen hatten wir ‚Eidechsen-Eingeweide‘: Vollkornnudeln mit Zucchini in einer leichten Currysoße. Eidechsen-Eingeweide kommen bei Kindern zum Mittagessen ja auch viel besser an als doofes Gemüse!

Anschließend ging’s zum Schläfchen. Lexi sagte, im Zimmer seien Monster. Ich habe ihr bestätigt, dass in meinem Schlafzimmer definitiv Monster leben. Diese sind dazu da, nach dem Einschlafen die bösen Träume, die die Schlafenden plagen, aufzuessen. Die Monster können nicht alle Träume einfangen, weil sie nicht alle erwischen – aber ohne die Monster würden wir ganz fürchterlich schlafen!
Alle Traum-Fang-Monster sind unsichtbar; sie leben hinter Vorhängen und in Schränken und kommen erst raus, wenn man eingeschlafen ist. Bis dahin kriegt man nur ab und zu mit, dass sie da sind, wenn manchmal Vorhänge flattern, Schränke knirschen oder mal ein Schatten zu sehen sind.

Nachmittags sind wir nochmal spazieren und haben uns Erdbeer-Sorbet geholt. Ich hab extra dreimal nachgefragt, ob das 100% Erdbeer-Sorbet ohne Zusatzstoffe und Zucker ist. Es war sehr sehr lecker!
Leider ist etwas von dem Sorbet daneben gegangen und hat schwere Flecke hinterlassen – mal sehen, ob ich das aus meinem Shirt nochmal rauskriege…

Ansonsten war es ein guter Tag!
Vermelde gehorsamst: Keine kritischen Vorkommnisse, keine Anzeigen vom Jugendamt, alles paletti.
Sollte es zu nachträglichen Beschwerden kommen, bitte ich, etwaig notwendige Therapiesitzungen mit den offenen Rechnungsposten meines zu Teilen abgeholzten Kressewaldes, meiner zersprungenen Teetasse, sowie der verjüngenden Avocado-Wellnessbehandlung zu verrechnen.
Sofern ich bei entsprechenden Bewertungsportalen wenigstens vier von fünf Sternen erhalten, stehe ich für weitere Buchungen bereit. Schließlich sollte jedes Kind ein Grundrecht auf eine verrückte Tante oder Onkel haben!“

Ramona, die meinem Bericht bis dahin ohne Wimpernzucken gefolgt ist, merkt an: „Ich hoffe einfach nur, du hast das Qualitätssiegel nicht aus ihrem Nacken gekratzt – sie hat schließlich drei Jahre Garantie!“

Autor: roerainrunner

https://roerainrunner.wordpress.com

12 Kommentare zu “112 | Kita-Volljährigkeit

  1. Das nenne ich mal ein exquisites qualifiziertes Kita-Tantchen.. kannste nicht ne Gruppe aufmachen? Du hast so ein großes Beschäftigungspotenzial.. Das Nichtchen hat es ja auch überstanden.Dann mal los!

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  2. Langzeifolgen🤭wessen? Deine oder Nichtchen.Ich glaube, es war kein Spaziergang für Dich, ist schon anstrengend, weil ungewohnt…

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  3. Köstlicher Bericht aus der Welpenbetreuung 😀 Übrigens, die aggressivste Gruppe bei Menschen in Europa sind die Zweijährigen 😉

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  4. Tolle Erklärung mit den Monstern. Merk ich mir für die (hypothetischen) Enkel.
    Ansonsten, mit 2Jährigen kenn ich mich nicht aus, die Phase haben wir glatt übersprungen.

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