Roe Rainrunner

Rainrunning at its finest

107 | Funfacts

18 Kommentare

Letztens in einer Schulung.
Natürlich online, is ja jetzt alles „Remote“.
Aber ganz ehrlich? Manchmal finde ich es auch gar nicht so schlecht, die Leute in den Meetings und Schulungen nicht sehen zu müssen. Und dass die mich nicht sehen können, oder welche Grimassen ich schneide, gefällt mir auch sehr gut…

Wir sollen uns nun also den anderen Schulungsteilnehmern vorstellen. So zum „Warmwerden“. Und einen Funfact nennen. Internationale Veranstaltung, alles auf Englisch.
Ich will mit denen gar nicht warmwerden. Ich hab meiner Firma nicht 800 Eier aus den Rippen gejuckelt, um in einem besseren Speed-Dating-Event zu landen!
Der erste ist dran. Sein Funfact: Er fährt Harley.
Der zweite stellt sich vor. Er nennt: Am Wochenende spielt er gern Golf.
Ich googele, ob ich den Begriff „FUN fact“ irgendwie falsch verstanden habe. Ne Ne: was Lustiges, Witziges, so im Bereich der Anekdote.
Der dritte erwähnt, dass er gern Segeln geht, auf seiner eigenen Yacht. Ich kratze mich irritiert am Kinn.
Ich bin dran. Bevor ich mir noch irgendwas wirklich Cooles ausdenken kann (hätte ja erwähnen können, dass ich eine weltberühmte – ach was sag ich, universumsbekannte – Autorin bin, huströchel), höre ich mich selbst sagen: „Also mein Funfact ist, dass ich Fruchtsaft gern aus Müslischüsseln trinke.“ TO-TEN-STIL-LE. „Ähem, ja, o…kay?!“ Wow… Tosender Applaus, die Massen jubeln! Also nicht…
Der nächste ist dran. Ein Landsmann, wie sich herausstellt. Er sagt, ein Funfact über ihn ist, dass obwohl Deutscher und sogar Bayer, er überhaupt kein Bier mag. Ich kichere hinter meinem stummgeschalteten Mikro, sage laut zu meinem Monitor: „Ich auch nicht, Highfive Alta!“ Doch wieder: Beklommene Atmosphäre, ausdruckslose Gesichter.

Also, das möchte ich dann doch gern mal erklärt bekommen: Die beiden einzigen in der gesamten Truppe, die den Begriff Funfact ernstnehmen und es nicht als Gelegenheit verstehen, sich sofort den Sack aufzublähen, sind ausgerechnet zwei Deutsche, denen man ja bekanntermaßen nachsagt, überhaupt keinen Humor zu haben. Und dann das!
Ja, dann fahr doch mit deiner Scheiß-Harley zum Golfplatz, du Überhebling! Ich hab hier ’ne Müslischale! Voll mit Fruchtsaft, jawoll!

Mit Typen, die beiläufig Facts droppen, wie geil sie zu sein glauben, weil sie es irgendwie geschafft haben, einen Ratenkredit für irgendein Objekt zu ergattern, das andere nicht mal brauchen, will man doch eh nichts anfangen?
Mit solchen Männern würde ich nicht schlafen, wenn alle anderen Männer tot sind. Und alle Frauen. Und es keine Sexspielzeuge mehr gäbe. Und keine länglichen Gegenstände. Und mir beide Hände abgefallen sind. Und beide Beine. Und auf dem gesamten Planeten keine Gegenstände mehr existieren, an denen ich mich breitbeinig reiben kann. Und wenn das alles eingetroffen ist, hab ich vermutlich größere Probleme zu klären, als die Frage, wo ich meinen nächsten Kerl herkriege.
Gurkentruppe. Das sind Leute, die so tiefgründig sind wie’n Pizzateller.
Wie gesagt: ich wollte ja nicht warmwerden, aber nu is die Stimmung im Eimer!

Apropos: Die Schulung war für gehobene ITler. Lauter Projekt-Fritzen und Servicemanager-Grützen.
„Ich bin übrigens Supporter in der xy GmbH!“ Ja verkackt, Roey! „Customer-Relations-Verantwortliche im digital-futuristischen Bereich eines Retro-Startups“ wäre das Mindeste gewesen!
Aber hey, meine Müslischüssel und ich, wir brauchen das nicht! Das Coolste, was wir besitzen, ist ein Macbook, aka „die Obstschale“, und das Ding gehört uns nicht mal, sondern der Firma. 15 Minuten braucht der Silberfuzzi zum Hochfahren. Ich hab mit einem Kollegen so laut drüber gelästert, dass Youtube mir seither nur noch Werbung für das Chromebook anzeigt. „Wenn’s mal wieder schnellgehen muss: Hochfahren in nur sechs Sekunden!“, säuselt eine Frauenstimme dann aus meinem Headset, während auf dem Bildschirm eine Studentin gespielt gehetzt in ihre Vorlesung hüpft. Und ich rolle die Augen, weil mein acht Jahre alter Windows-PC es sogar in nur drei schafft!

Ich bin nicht cool, nicht hipp, nicht besonders. Ich bin ich – und das reicht auch, denn das ist oft anstrengend genug.

Und nun entschuldigt mich. Ich muss zum Kühlschrank, meine Müslischüssel nachfüllen.

Autor: roerainrunner

https://roerainrunner.wordpress.com

18 Kommentare zu “107 | Funfacts

  1. Mal wieder ein Volltreffer. Vielen Dank

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  2. … jetzt dann aber nich‘ M$.
    Es gibt alway-on Maschinen – wie man am Schmachtfone sieht.
    Vielen Dank! Genau so …
    — Am MacBook pro geschrieben,
    — allerdingens auch 9 Jahre alt.

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  3. Doch, du bist etwas ganz besonderes, denn du bist krachend komisch und das hättest du sagen sollen! So etwas wie, „ich bin Stand up Comedien in einem Club in Soho (klar London), aber nur für geladene Gäste!“ Wenn die dann nicht lachen, hätte ich noch eingeworfen, dass sie mal das Licht im Keller anschalten sollen, dann finden sie da vielleicht ihren Humor wieder! Ach, ich bin ja selber sooo witzig. Ist kaum zum Aushalten 😀

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  4. Einfach wieder genial von Dir, danke!

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  5. Diese Experimente sind immer herrlich.

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  6. Du hättest ja sagen können, dass deine Firma so etwas wie dieses Fabeltier ist, das Milch gibt, Wolle trägt, Eier legt und so weiter und so fort, denn wenn du deiner Firma Eier aus den Rippen juckeln kannst, kann die Firma nur so ein Wundertier sein 😉 🙂 und du die Dompteuse.

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  7. Wieder einmal wunderbar aus dem Leben gegriffen… lese immer wieder gerne bei Dir

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